Der Irrationalismus von Offenbarungsreligion heute kommt zum Ausdruck in der zentralen Stellung des Begriffs der religiösen Paradoxie. Ich erinnere nur an die dialektische Theologie. Auch sie ist keine theologische Invariante, sondern hat ihren geschichtlichen Stellenwert. Was der Apostel im Zeitalter der hellenistischen Aufklärung eine Torheit für die Griechen nannte und was jetzt die Abdankung der Vernunft erheischt, war nicht allezeit so. Auf ihrer mittelalterlichen Höhe erwehrte sich die christliche Offenbarungsreligion kräftig der Lehre von den zweierlei Wahrheiten als einer selbstzerstörerischen. Die große Scholastik, vorab die Summen des Thomas, hatten ihre Kraft und Würde daran, daß sie, ohne den Begriff der Vernunft zu verabsolutieren, nirgends ihn verfemten: dazu ging die Theologie erst im Zeitalter des Nominalismus, zumal bei Luther, über. Die Thomistische Lehre reflektierte nicht bloß die freilich bereits sich selbst problematisch gewordene feudale Ordnung ihrer Epoche, sondern entsprach auch deren fortgeschrittenstem wissenschaftlichen Stand. Hat aber einmal der Glaube die Übereinstimmung mit der Erkenntnis, oder wenigstens die fruchtbare Spannung zu ihr verloren, so büßt er die Verbindlichkeit, jenen Charakter der »Nötigung« ein, den Kant dann noch im Sittengesetz, als einer Säkularisierung der Glaubensautorität, zu retten sich anschickte. Warum einer den Glauben annehmen soll und nicht einen anderen, dafür ist dem Bewußtsein heute kein anderer Rechtsgrund gegeben als einzig sein eigenes Bedürfnis, das Wahrheit nicht verbürgt. Damit ich den Offenbarungsglauben annehmen könnte, müßte ihm meiner Vernunft gegenüber eine Autorität zukommen, die bereits voraussetzte, daß ich ihn angenommen habe – ein unausweichlicher Zirkel. Wird, nach der hochscholastischen Lehre, mein Wille als ausdrückliche Bedingung des Glaubens hinzugefügt, so entgeht man dem Zirkel nicht. Der Wille selbst wäre möglich nur, wo die Überzeugung vom Inhalt des Glaubens bereits besteht, also eben das, was erst vermöge des Willensaktes erlangt werden kann. Ist einmal die Religion nicht länger Volksreligion, nicht länger im Hegelschen Sinne substanziell, wofern sie das überhaupt je gewesen ist, so wird sie zu einem unverbindlich Ergriffenen, einer autoritären Weltanschauung, in der Zwang und Willkür sich verschränken. Die Einsicht darein wohl hat die Theologie des Judentums dazu vermocht, kaum Glaubenssätze zu stipulieren und nichts anderes zu verlangen, als daß man dem Gesetz nachlebe; was Tolstojs Urchristentum heißt, ist vermutlich ein sehr Ähnliches. Mag immer damit die An tinomie von Erkenntnis und Glauben umgangen, mag selbst die Entfremdung zwischen dem religiösen Gebot und dem Subjekt überbrückt sein, unausgesprochen ist der Widerspruch weiter am Wert. Denn die Frage, woher die Autorität der Lehre stammt, ist nicht gelöst, sondern abgeschnitten, sobald einmal das haggadische vom halachischen Element ganz sich lossagte. Die Ausscheidung des objektiven Elements aus der Religion ist ihr nicht weniger verhängnisvoll als die Verdinglichung, die das Dogma, die Objektivität des Glaubens, starr und vernunftfeindlich dem Subjekt aufzwingen will. Das objektive Moment aber ist nicht länger zu behaupten, weil es selbst dem Maß von Objektivität, der Erkenntnis, sich zu stellen hätte, deren Anspruch es arrogant abfertigt.
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