Vernunft und Offenbarung (2)
Die Position derer, welche im achtzehnten Jahrhundert für den Offenbarungsglauben einstanden, war grundverschieden von der jener, die heute das gleiche tun; wie denn überhaupt identische Ideen, je nach dem geschichtlichen Augenblick, höchst divergierende Bedeutung annehmen können. Damals ging es um die Verteidigung eines traditionell vorgegebenen und mehr oder minder durch die gesellschaftliche Autorität gestützten Lehrbegriffs gegen den Angriff der autonomen ratio, die nichts zu akzeptieren willens ist, als was ihrer eigenen Prüfung standhält. Solche Verteidigung gegen die ratio mußte mit rationalen Mitteln durchgeführt werden und war insofern, wie Hegel in der Phänomenologie aussprach, von Anbeginn hoffnungslos: durch die Mittel des Argumentierens, deren sie sich bediente, übernahm sie vorweg selber das ihr feindliche Prinzip. Heute geschieht die Wendung zum Offenbarungsglauben aus Verzweiflung an eben jenen Mitteln, an der ratio. Ihre Unwiderstehlichkeit wird bloß als negativ empfunden und Offenbarung zitiert, um dem, was bei Hegel »Furie des Verschwindens« heißt, Einhalt zu gebieten: weil es angeblich gut wäre, Offenbarung zu haben. Zweifel an der Möglichkeit solcher Restauration werden übertäubt mit der Beru fung auf das Einverständnis der vielen, die es ebenso möchten. »Heute ist es ja längst nicht mehr unmodern, wenn man gottgläubig ist«, sagte mir einmal eine Dame, deren Familie nach stürmisch aufklärerischem Intermezzo zur Religion ihrer Kindheit zurückgekehrt war. Im besten Fall – also wo es sich nicht bloß um Nachahmung und Konformismus handelt – ist der Wunsch der Vater solcher Haltung: nicht die Wahrheit und Authentizität der Offenbarung entscheidet, sondern das Bedürfnis nach Orientierung, der Rückhalt am festen Vorgegebenen; auch die Hoffnung, man könne durch den Entschluß der entzauberten Welt jenen Sinn einhauchen, unter dessen Abwesenheit man so lange leidet, wie man als bloßer Zuschauer aufs Sinnlose hinstarrt. Die religiösen Renaissancen von heutzutage dünken mir Religionsphilosophie, nicht Religion. Darin jedenfalls stimmen sie mit der Apologetik des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts überein, daß sie trachten, durch rationale Reflexion deren Gegenteil zu beschwören; nun jedoch durch rationale Reflexion auf die ratio selber, mit einer schwelenden Bereitschaft, auf diese loszuschlagen, einem Hang zum Obskurantismus, der viel bösartiger ist als alle beschränkte Orthodoxie von dazumal, weil er sich selbst nicht ganz glaubt. Der neureligiöse Gestus ist der des Konvertiten, auch bei solchen, bei denen es nicht zur förmlichen Konversion kommt oder die einfach emphatisch zu dem sich stellen, was ihnen als »Religion der Väter« sanktioniert dünkt und was mit väterlicher Autorität von jeher, selbst bei Kierkegaard dem Einzelnen, dazu beitrug, den aufsteigenden Zweifel drohend druntenzuhalten.
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