Vom Subjekt und Objekt (7)
Endlich hat das Subjekt-Objekt-Problem neben dem subjektivischen, dem objektivischen und dem metaphysisch-monistischen Lösungstyp noch einen vierten erzeugt, den man nicht mit einem einzelnen, unmittelbar verständlichen Ausdruck bezeichnen kann. Er überbaut den gegensätzlichen Weltrealitäten Subjekt und Objekt ein Reich der ideellen Inhalte, das weder subjektiv noch objektiv ist; diese Inhalte haben an und für sich nur Geltung oder Bedeutung, aber gerade so können sie gleichsam den gemeinsamen Stoff bilden, der einerseits in die Form der Subjektivität, andrerseits in die der Objektivität eingeht und damit die Beziehung zwischen beiden vermittelt, die Einheit beider darstellt. Man könnte insofern diese Theorie als die des dritten Reiches bezeichnen. Ihm gehört an, was ich oben in der Skizzierung des Hegelschen Denkens als den objektiven Geist schilderte. Das Entscheidende ist auf der einen Seite der Gedanke, daß wir im Erkennen nicht nur einen seelischen Prozeß vollziehen, nicht nur ein Bewußtsein erleben, sondern daß dieser Prozeß, dieses Bewußtsein einen Inhalt habe, der auch ohne ihr Eintreten eine Gültigkeit besitzt. Der Inhalt des Denkens ist wahr, gleichviel ob er gedacht wird oder nicht, gerade wie er gegebenenfalls falsch ist, mag er gedacht werden oder nicht. Dem aber entspricht, auf der andern Seite, das ebenso Wesentliche: daß dieser Inhalt keineswegs die naturalistische Kopie des Objekts ist, für das er gilt. Der idealistische Gedanke von der Diskrepanz zwischen der Vorstellung und dem An-sich-Sein des Dinges bleibt hier ganz außer Betracht: daß die Gegenstände nicht in unser Bewußtsein überwandern mag richtig sein, aber für den hier genommenen Blickpunkt steht das Problem von vornherein anders. Denn hier ist eine Wirklichkeit, die entweder unmittelbar sinnlich konstatiert oder auf irgendeinem Wege des Denkens in ihrem Sein erfaßt werden kann, dem eigentlichen Erkennen gegenübergestellt, das nun eben jene Wirklichkeit nicht wiedergibt, wie ein Gipsabguß sein original, sondern sich in völlig andern Formen bewegt, sozusagen ein ganz andres Leben lebt als die Wirklichkeit. Das reale Sein der beziehungslos nebeneinander existierenden chemischen Elemente hat mit dem Gesetz der multipeln Proportionen oder dem Mendeleffschen System nichts zu tun, die Bewegungen der Gestirne enthalten absolut nichts vom Gravitationsgesetz. Diese Formeln vielmehr sind in den Realitäten in eine Sprache übertragen, mit der sie keinen Laut teilen. Wie dasjenige, wofür hier die Naturgesetze als einfachstes Beispiel, oder vielleicht selbst nur als Symbol angeführt sind, etwas andres ist, als der Vorstellungsprozeß, der es in die Form des Psychischen überführt, so ist es auch etwas andres als die Substanzen und Bewegungen, die es in die Form der Realität überführen. Durch das Auseinandertreten von Subjekt und Objekt wird das Sein in zwei Reiche geschieden, deren Qualitäten oder Funktionen ganz unvergleichbar sind. Aber die Beziehung zwischen ihnen, die wir Erkenntnis nennen, ist dadurch möglich, daß der gleiche Inhalt sich in der Form der einen wie der andern verwirklicht, der Inhalt, der an und für sich also jenseits jenes Gegensatzes steht. Diese Einheit von Subjekt und Objekt ist eine prinzipiell andre als die einer Spinozistischen Denkrichtung, für die diese beiden ihrem Sein nach in die Einheit der absoluten Substanz aufgegangen und die beiden Arten wären, auf die deren metaphysisch reale Existenz sich vollzieht. Vielmehr bleiben hier Subjekt und Objekt in ihrem Wesen auch weiterhin getrennt; aber es besteht der ideelle Kosmos der Inhalte, die unter der einen oder der andern dieser Kategorien Realität besitzen und der Unterschiedenheit dieser Wirklichkeitskomplexe die Einheit dessen, was eben in ihnen wirklich wird, überbauen und ihnen dadurch die Möglichkeit der Wahrheit gewähren. Die Entdeckung dieses dritten Reiches - wenngleich noch nicht in voller Schärfe der Formulierung und erkenntnistheoretischen Festgelegtheit - ist die große metaphysische Tat Platos, die in seiner Ideenlehre eine der weltgeschichtlichen Lösungen des Subjekt-Objekt Problems gezeitigt hat.
Man kann diese Tat so bezeichnen, daß Plato die Tatsache der geistigen Welt entdeckt hat; er hat zuerst zum Bewußtsein gebracht, daß alles Geistige seinen Inhalten nach einen in sich geschlossenen Zusammenhang bildet und daß unser individuelles Denken, so unvollkommen und fragmentarisch es diesen Zusammenhang nachzeichne, von ihm seine ganze Wahrheitsbedeutung und Objektivität entlehnt. Mit dieser, unsre Wahrnehmungen und Einfälle erst legitimierenden Welt des objektiven Geistigen hat er, über alle bisher gefundenen einzelnen Wahrheiten hinaus, das Prinzip der Wissenschaft überhaupt gewonnen. Dies geschah bekanntlich in der Weiterbildung der sokratischen Grundmotive. Für Sokrates handelte es sich darum, für eine Welt, die offenbar die Reinheit der praktischen Instinkte, den Halt an den Traditionen des altgriechischen Lebens eingebüßt hatte und in der er allenthalben Verwirrung, Unzulänglichkeit und subjektivistische Willkür sah - es handelte sich darum, für diese wieder normierende Festigkeiten zu finden, ohne reaktionär auf die nun einmal verlorenen Regulierungen durch Sitte und Autorität, Triebsicherheit und Überlieferung zurückzugreifen. Hier sah er nur einen Weg: das klare, verstandesmäßige Wissen, das ja in allen niederen und technischen Dingen die Güte der Leistung bedingte und dies also auch in denen des höheren, sittlichen und politischen Lebens leisten würde; auch hier müsse das isolierte und subjektive Meinen durch ein objektives und allgemeingültiges Wissen abgelöst werden. Dieses aber sei nur in dem Begriff der Sache zu finden; dieser gebe die feste Norm für das Verfahren mit all dem Einzelnen, Persönlichen, Zufälligen der Erfahrung; denn der Begriff, aus der Abwägung aller Meinungen und einseitigen Aspekte gewonnen, zeige das, was der Sache zukommt, mit ihm sei die Objektivität und Wahrheit ergriffen, die allem individuellen und singulären Verhalten die Richtschnur gäbe. So untersucht er den Begriff des Herrschers, der Gerechtigkeit, des Staatsmannes, der Tapferkeit, immer in der Überzeugung, daß der richtige Begriff auch das richtige Handeln zur Folge haben müsse, wie und weil die allgemeine Wahrheit auch den besonderen Fall richtig bestimmt.
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