Die Persönlichkeit Gottes (6)
Endlich kann man dieses Wesensbild der Persönlichkeit noch in einer anderen, sozusagen gesammelteren Form anschauen. Als die entscheidende Charakteristik des persönlichen Geistes erscheint mir sein inneres Sich-Selbst-Trennen in Subjekt und Objekt, das eines und dasselbe ist, seine Fähigkeit, zu sich selbst so Ich zu sagen, wie zum andern Du, sein Selbstbewusstsein, mit dem er die Funktion seiner selbst zum Inhalt seiner selbst macht. Mit dem Selbstbewusstsein hat das Leben sich in sich gebrochen und hat sich wiedergefunden; womit natürlich nur ein schlechthin einheitlicher Akt für den Ausdruck in eine zeitliche Folge auseinandergezogen ist. Das ist die Grundtatsache, wenn man will: das Grundwunder des Geistes, das macht ihn zum persönlichen, dass er, in seiner Einheit verbleibend, sich dennoch sich selbst gegenüberstellt; die Identität des Wissenden und des Gewussten, wie sie im Wissen um das eigne Sein, um das eigne Wissen vorliegt, ist ein Urphänomen, das sich ganz jenseits des mechanisch-numerischen Gegensatzes von Einheit und Zweiheit stellt. Der Weg des Lebens, wo jeder spätere Augenblick des Wesens von seinem früheren lebt, ein andrer und doch ein Leben in beiden, wo das Erzeugte das Erzeugende fortsetzt, ein andres und doch irgendwie dasselbe - dieser zeitlich erstreckte Weg hat sich im Selbstbewusstsein zurückgebogen oder findet in ihm seine zeitlose Grundform. Was den Organismus im Tiefsten vom Mechanismus unterscheidet: dass eine Vielheit in ihm zur Einheit zusammengefasst ist oder dass eine Einheit sich in ein nach Raum und Zeit vielheitliches Leben entfaltet, ist in dem Wesen des persönlichen Geistes, dem Bewusstsein von sich selbst, wie in einen Punkt gesammelt. Denn die "Wechselwirkung", die das Wesen des Lebendigen und des Geistes überhaupt war, hat in dem Selbstbewusstsein - darin, dass das Subjekt sein eigenes Objekt ist - gleichsam ihre absolute Gestalt gewonnen. Hiermit scheint auch die Form am reinsten ausgedrückt zu sein, in der die Einheit des göttlichen Wesens symbolisiert wird. Von religionsgeschichtlicher Seite ist behauptet worden, es hätte noch niemals einen ganz reinen Monotheismus gegeben. Es scheint, als ob das göttliche Prinzip eine Tendenz zur Spaltung - und sei es auch nur, dass Seraphim oder "Geister- ihm zur Seite stünden - unvermeidlich in sich trüge.Und seine vollkommenste Einheit, wie sie im Pantheismus und teilweise in der Mystik empfunden wird, ist zugleich seine vollkommenste Auflösung in die Vielheit der realen Erscheinungen. Damit scheint mir eine Annäherung an den Persönlichkeitsbegriff gegeben zu sein, der freilich hier besonders vorsichtig vor Anthropomorphismus bewahrt werden muss. Das Selbstbewusstsein, mit dem das Denken, in seiner Einheit verbleibend, sich in sich spaltet, um sein eignes Objekt zu werden, ist die Grundtatsache des Denkens überhaupt und sein gesammelter Typus, seine reinste und sicherste Form, gewissermassen der Vorentwurf für jedes Denken eines Einzelinhaltes. Die grosse Dunkelheit des Denkens: wie es, als ein in sich verbleibender Prozess, doch einen Gegenstand haben könne, wie es mit der reinen Subjektivität seines Ablaufes doch ein ihm Gegenüberstehendes in sich einziehen könnte – ist dadurch aufgehellt, dass es dieses Insich und Aussersich, diese Geschlossenheit und den Einschluss des Gegenüber schon, als Selbstbewusstsein, in sich selber hat, dass die Identität von Subjekt und Objekt die Form seines eignen Lebens ist. Damit zeichnet es, hier freilich nur innerhalb der Kategorie des menschlichen Denkens, die Idealform jener Spaltung, die das göttliche Prinzip erfährt, ohne darum doch – und mit steigender religiöser Entwicklung immer weniger – seine metaphysische Einheit einbüssen zu dürfen. So geht durch die ganze religionsphilosophische Spekulation das Motiv vom „Selbstbewusstsein Gottes", das aber sehr oft nur ein andrer Ausdruck oder eine Deutung der „Persönlichkeit Gottes" ist. Das göttliche Prinzip ist nicht als Einheit schlechthin zu denken, weil diese für unsere Vorstellungsmöglichkeiten steril ist; es steht, wenn es innerhalb dieser gedacht werden soll, unter demselben kategorialen Problem wie die selbstbewusste Persönlichkeit: sich in sich selbst zu trennen und damit ein Gegenüber zu gewinnen, das Bewegung, Wirksamkeit, Leben ist, und doch in der eignen Einheit beschlossen bleibt – mag man dies nun mit spekulativer Phantasie zu einer Art immanenten Pantheons ausgestalten, wie etwa die christliche Dreieinigkeit, oder zu einem Pantheismus, für den der Reichtum des Weltprozesses nicht anderes ist, als diese Ausspannung der göttlichen Einheit zu ihrem eignen Objekt, wie es die Mystik Spinozas andeutet: unsre Liebe zu Gott wäre Teil der Liebe, mit der Gott sich selbst liebt. Dieser Begriff der Persönlichkeit aber fordert, um nicht in eine Vermenschlichung des Göttlichen hineinzugleiten, eine sehr hohe Abstraktion. Gerade ihr letztbetonter Sinn scheint ganz und gar an den Geist gebunden; auf dessen Begriff aber kann das göttliche Prinzip nicht eingeschränkt werden. Denn Gott als Geist zu bezeichnen ist nur ein auf den Kopf gestellter Materialismus, gleich diesem eine Festlegung des Absoluten auf eine bestimmte Substanz. Vielmehr, wenn Persönlichkeit von Gott gelten soll, so muss sie als eine so allgemeine Form gefasst werden, dass das geistige Selbstbewusstsein, das uns allein empirisch zugängig ist, nur als ein Sonderfall darunter gehört. Die einzige Art, in der wir von einem Subjekte erfahren können, das sein eignes Objekt ist, ist freilich ein solches Selbstbewusstsein des Geistes. Aber von diesem besonderen Substrat muss jene Form gelöst werden, wenn sie einem absoluten Wesen, einem, an dem das Dasein seine Totalität hat zukommen soll. Wir können uns eine nähere Vorstellung, die dieses begrifflich Geforderte anschaulich machte, nicht bilden. Wenn es aber eine unerlässliche Vorstellung von dem göttlichen Wesen ist: dass es, über die tote Einheit hinaus, ein Gegenüber, haben muss, ein Andres, mit dem es ein lebendig Wechselwirkendes sei, dieses Andre und Gegenüber aber seine Einheit nicht ,durchbrechen darf, sondern dass es in dieser ganzen selbstseligen" oder die Welt bedeutenden Relation doch immer es selbst bleiben, also Subjekt und Objekt ein Identisches sein müsse - so ist dies - freilich die Form der Persönlichkeit, aber durchaus nicht die menschliche. Kein Anthropomorphismus trägt hiermit das menschliche Beschränktsein auf die blosse Bewusstseinsart der einheitlichen Zweiheit in Gott hinein, sondern umgekehrt, "Persönlichkeit" ist die völlig formale, wenn man will: abstrakte Bestimmtheit, deren Realisierung im Umfang dieser Abstraktheit nur einem absoluten Wesen zukommen kann, während eine unvollkommenere, einseitig-geistige Stufe davon Sache unsres Lebens ist. Richtig verstanden mag man deshalb sagen: Gott ist nicht der Mensch im Grossen, aber der Mensch ist Gott im Kleinen.
Damit ist das Prinzip noch einmal bezeichnet, das diese Untersuchung geleitet hat. Für die Realitäten unsres Lebens gewinnen wir Ordnung und Wertung von einem Komplex von Ideen her, deren Bewusstsein freilich sich psychogenetisch aus dem zufälligen und fragmentarischen Zustand des empirischen Lebens erhebt, die aber ihrem Sinne nach eine ideelle Selbständigkeit und eine geschlossene Vollkommenheit besitzen, von der unsre menschlichen Existenzinhalte gleichsam durch einen Substraktionsakt – ihre Bezeichenbarkeit, ihr Mass, ihre Sonderform entlehnen. Ob und inwieweit dies geschieht, ist eine Frage der Tatsächlichkeit, die in die Feststellung jener Kategorien, in die Zusammenhänge ihres Sinnes, in ihre logische und normative Bedeutung nicht eingreift. Insoweit nun ein göttliches Wesen seinem Inhalte, seinem Was nach gedacht werden soll, so kann nichts andres, als jene Ideen, aber in ihrer Absolutheit oder Reinheit, in Frage kommen. Nicht um einen Gradunterschied kann es sich handeln, so dass Gott mehr Macht, mehr Gerechtigkeit, mehr Vollkommenheit hätte, als der Mensch; solche quantitativen Steigerung nimmt ersichtlich ihren Ausgangspunkt vom Menschen und ist Anthropomorphismus. Sondern für den Gläubigen ist er die Idee der Macht, der Gerechtigkeit, der Vollkommenheit in der Form des Seins, sein Inhalt ist unmittelbar dasjenige, was über dem relativen Dasein des Menschen als seine ideelle Kategorie steht, als die reine Bedeutsamkeit, von der unser relatives, unvollkommenes, gemischtes Leben immerhin seine Bedeutung und seine Form bekommt.
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