Th.W. Adorno

실존주의

Sur l´eau 2008. 9. 8. 17:31

Existentialismus

 

Der jüngste Versuch des Ausbruchs aus dem Begriffsfetischismus - aus akademischer Philosophie, ohne den Anspruch von Verbindlichkeit fahren zu lassen - ging unter dem Namen des Existentialismus. Gleich der Fundamentalontologie, von der er sich durch politisches Engagement abgespalten hatte, blieb er idealistisch befangen; es behielt übrigens gegenüber der philosophischen Struktur etwas Zufälliges, ersetzbar durch konträre Politik, wofern diese nur der Characteristica formalis des Existentialismus genügt. Partisanen gibt es hüben und drüben. Keine theoretische Grenze zum Dezisionismus ist gezogen. Gleichwohl ist die idealistische Komponente des Existentialismus ihrerseits Funktion der Politik. Sartre und seine Freunde, Kritiker der Gesellschaft und nicht willens, bei theoretischer Kritik sich zu bescheiden, übersahen nicht, daß der Kommunismus überall, wo er zur Macht gelangt war, als Verwaltungssystem sich eingrub. Die Institution der zentralistischen Staatspartei ist Hohn auf alles, was einmal über das Verhältnis zur Staatsmacht gedacht worden war. Darum hat Sartre alles auf das Moment abgestellt, das von der herrschenden Praxis nicht mehr geduldet wird, nach der Sprache der Philosophie die Spontaneität. Je weniger objektive Chancen ihr die gesellschaftliche Machtverteilung bot, desto ausschließlicher hat er die Kierkegaardsche Kategorie der Entscheidung urgiert. Bei jenem empfing sie ihren Sinn vom terminus ad quem, der Christologie; bei Sartre wird sie zu dem Absoluten, dem sie einmal dienen sollte. Trotz seines extremen Nominalismus[4] organisierte sich Sartres Philosophie in ihrer wirksamsten Phase nach der alten idealistischen Kategorie der freien Tathandlung des Subjekts. Wie für Fichte ist für den Existentialismus jegliche Objektivität gleichgültig. Folgerecht wurden in Sartres Stücken die gesellschaftlichen Verhältnisse und Bedingungen allenfalls aktueller Zusatz, strukturell jedoch kaum mehr als Anlässe für die Aktion. Diese ward von Sartres philosophischer Objektlosigkeit zu einer Irrationalität verurteilt, die der unbeirrbare Aufklärer gewiß am wenigsten meinte. Die Vorstellung absoluter Freiheit zur Entscheidung ist so illusionär wie je die vom absoluten Ich, das die Welt aus sich heraus entläßt. Bescheidenste politische Erfahrung reichte hin, die zur Folie der Entscheidung von Helden aufgebauten Situationen als Kulissen wackeln zu machen. Nicht einmal dramaturgisch wäre derlei souveräne Entscheidung in konkreter geschichtlicher Verflochtenheit zu postulieren. Ein Feldherr, der ebenso irrational dazu sich entschließt, keine Greuel mehr begehen zu lassen, wie er diese vorher auskostete; der die Belagerung einer ihm bereits durch Verrat ausgelieferten Stadt abbricht und eine utopische Gemeinde gründet, wäre auch in den wilden Zeiten einer possenhaft romantisierten deutschen Renaissance sogleich, wenn nicht von meuternden Soldaten umgebracht, so von seinen Oberen abberufen worden. Dazu stimmt nur allzu genau, daß Götz bramarbasierend wie Nestroys Holofernes, nachdem er immerhin durch die Ausmordung der Lichtstadt über seine freie Tathandlung belehrt ward, sich einer organisierten Volksbewegung zur Verfügung stellt, dem durchsichtigen Deckbild jener, gegen welche Sartre die absolute Spontaneität ausspielt. Sogleich begeht denn auch der Butzenscheibenmann, nur offenbar jetzt mit dem Segen der Philosophie, abermals die Greuel, denen er aus Freiheit abgeschworen hatte. Das absolute Subjekt kommt aus seinen Verstrickungen nicht heraus: die Fesseln, die es zerreißen möchte, die der Herrschaft, sind eins mit dem Prinzip absoluter Subjektivität. Es ist zu Sartres Ehre, daß das in seinem Drama und gegen sein philosophisches Hauptwerk sich manifestiert; seine Stücke desavouieren die Philosophie, die sie thesenhaft verhandeln. Die Torheiten des politischen Existentialismus jedoch, gleich der Phraseologie des entpolitisierten deutschen, haben ihren philosophischen Grund. Der Existentialismus befördert das Unvermeidliche, das bloße Dasein der Menschen, zu einer Gesinnung, die der Einzelne wählen soll ohne Bestimmungsgrund der Wahl, und ohne daß er eigentlich eine andere Wahl hätte. Lehrt der Existentialismus mehr als solche Tautologie, so macht er sich gemein mit der für sich seienden Subjektivität als dem allein Substantiellen. Die Richtungen, welche Derivate des lateinischen existere als Devisen tragen, möchten die Wirklichkeit leibhaftiger Erfahrung wider die entfremdete Einzelwissenschaft aufbieten. Aus Angst vor Verdinglichung weichen sie vor dem Sachhaltigen zurück. Es wird ihnen unter der Hand zum Exempel. Was sie unter epoxe setzen, rächt sich an ihnen, indem es hinter dem Rücken der Philosophie, in den dieser zufolge irrationalen Entscheidungen, seine Gewalt durchsetzt. Der begriffslosen Einzelwissenschaft ist das von Sachgehalten expurgierte Denken nicht überlegen; all seine Versionen geraten, ein zweites Mal, in eben den Formalismus, den sie um des wesentlichen Interesses der Philosophie willen befehden. Nachträglich wird er dann, mit zufälligen Anleihen insbesondere bei der Psychologie, aufgefüllt. Die Intention des Existentialismus zumindest in seiner radikalen französischen Gestalt wäre nicht in der Distanz von den Sachgehalten, sondern in bedrohlicher Nähe zu diesen realisierbar. Die Trennung von Subjekt und Objekt ist nicht durch die Reduktion aufs Menschenwesen, und wäre es das absoluter Vereinzelung, aufzuheben. Ideologisch ist die heute bis in den Marxismus Lukács'scher Provenienz hinein populäre Frage nach dem Menschen darum, weil sie der puren Form nach das Invariante der möglichen Antwort, und wäre es Geschichtlichkeit selber, diktiert. Was der Mensch an sich sein soll, ist immer nur, was er war: er wird an den Felsen seiner Vergangenheit festgeschmiedet. Er ist aber nicht nur, was er war und ist, sondern ebenso, was er werden kann; keine Bestimmung reicht hin, das zu antezipieren. Wie wenig die um Existenz gruppierten Schulen, auch die extrem nominalistischen, zu jener Entäußerung fähig sind, die sie im Rekurs auf einzelmenschliche Existenz ersehnen, bekennen sie ein, indem sie über das in seinem Begriff nicht Aufgehende, ihm Konträre allgemeinbegrifflich philosophieren, anstatt es aufzudenken. Sie illustrieren Existenz am Existierenden.

 

Th.W. Adorno, "Existentialismus", in: ders., Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit, Gesammelte Schriften Bd. 6, Hrsg., von Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1977, S. 58-61.

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