G. Simmel

주체와 객체에 관하여 (10)

Sur l´eau 2008. 6. 1. 09:32

Vom Subjekt und Objekt (10)

 

In der Weltgeschichte des Geistes hat dies die immer wiederholten, in sich widerspruchsvollen Versuche zur Folge gehabt, innerhalb der Wirklichkeit noch eine eigentliche Wirklichkeit zu suchen, in der zugleich - wie es Plato aufs entscheidenste von den Ideen behauptet - der ganze Wert Des Daseins läge. Und wie nun der Wert freilich Gradehat, deren unendliche Mannigfaltigkeit die Dinge zwischen Licht und Schatten stellt, so soll nun auch die Wirklichkeit Grade haben, die gegebene Einzelerscheinung  soll ein größeres oder geringeres Maß jener echten, vollen Realität in sich bergen, sie ist bei Plato gemischt aus dem Seienden und dem Nicht-Seienden, wertvoll, insoweit jenes, verächtlich und gemein, insoweit dieses in ihr zum Ausdruck kommt. Hierin lebt wohl eine typische Tragödie des Geistes: das Seiende lieben zu müssen, weil es als solches doch die Wirklichkeit der Idee ist - und es hassen zu müssen, weil es eben Wirklichkeit und als solche nicht Idee ist. Aber sie lebt darin in der unklaren Form, daß an die Stelle des Gegensatzes von Idee und Wirklichkeit der einer absoluten und gediegenen Wirklichkeit und einer irrealeren, graduell tieferen gesetzt ist, der Gegensatz zweier Quantitäten des Seins; während doch die Idee als der rein ideelle, wirklichkeitsfreie Inhalt der Dinge, für sich gültig, besteht - und Dinge, die diesen Inhalt tragen, entweder sind oder nicht sind, mit kompromißloser, keine graduelle Vermittlung kennender Alternative. Man muß sich diese Entwicklung - wenn man will: Rückentwicklung, mit der Plato die eben erst vollzogene Abstraktion des reinen Inhalts der Dinge wieder in das Sein und damit in den Gegensatz von Objekt und Subjekt hineinzieht, deutlich machen, um dies gleichsam abziehen und die Originalität der Grundkonzeption erfassen zu können. Das tiefe Problem, daß Subjekt und Objekt einheitlich zusammengehören und dennoch in tiefer gegenseitiger Fremdheit beharren, begegnet hier nicht dem hoffnungslosen Versuche, beide sozusagen in ihrer eignen Ebne zusammenzubringen, sei es, daß eines das andre in sich einschluckt, sei es, daß beide von einem Sein, dessen Attribut sie bildeten, eingeschluckt werden. Sondern es leuchtet hervor, daß im objektiven und im subjektiven Sein, oder: im Sein und im Denken - der gleiche Komplex von Inhalten lebt, daß beides sozusagen Formen oder Verwirklichungsweisen eines durch sich selbst gültigen, durch ihre logische Kraft zusammengehaltenen  Reiches von Begriffen oder geistigen Bedeutungen sind: darum kommt für Plato den Dingen von der Idee zugleich ihr Sein und ihr Erkanntwerden.

 

 

Georg Simmel, „Vom Subjekt und Objekt“, in: ders., Hauptprobleme der Philosophie, Gesamtausgabe Bd. 14, Hrsg., von Rüdiger Kramme und Ottein Rammstedt, Frankfurt am Main 1996.