Th.W. Adorno

질과 개인

Sur l´eau 2008. 9. 9. 18:17

Qualität und Individuum

 

Der Quantifizierungstendenz entsprach auf der subjektiven Seite die Reduktion des Erkennenden zu einem qualitätslos Allgemeinen, rein Logischen. Wohl würden die Qualitäten erst in einem objektiven Stande frei, der nicht länger auf Quantifizierung limitiert wäre und nicht länger dem, der geistig sich anpassen muß, Quantifizierung einbläute. Aber diese ist nicht das zeitlose Wesen, als welches Mathematik, ihr Instrument, sie erscheinen läßt. Wie ihr Anspruch auf Exklusivität wurde, ist er vergänglich. In der Sache wartet das Potential ihrer Qualitäten auf das qualitative Subjekt, nicht dessen transzendentales Residuum, wiewohl das Subjekt dazu allein durch seine arbeitsteilige Einschränkung sich kräftigt. Je mehr indessen von seinen Reaktionen als angeblich bloß subjektiv verpönt werden, um so mehr an qualitativen Bestimmungen der Sache entgeht der Erkenntnis. Das Ideal des Differenzierten und Nuancierten, das Erkenntnis trotz alles Science is measurement bis zu den jüngsten Entwicklungen nie ganz vergaß, bezieht sich nicht allein auf eine individuelle, für Objektivität entbehrliche Fähigkeit. Seinen Impuls empfängt es von der Sache. Differenziert ist, wer an dieser und in ihrem Begriff noch das Kleinste und dem Begriff Entschlüpfende zu unterscheiden vermag; einzig Differenziertheit reicht ans Kleinste heran. In ihrem Postulat, dem des Vermögens zur Erfahrung des Objekts - und Differenziertheit ist dessen zur subjektiven Reaktionsform gewordene Erfahrung - findet das mimetische Moment der Erkenntnis Zuflucht, das der Wahlverwandtschaft von Erkennendem und Erkanntem. Im Gesamtprozeß der Aufklärung bröckelt dies Moment allmählich ab. Aber er beseitigt es nicht ganz, wofern er nicht sich selbst annullieren will. Noch in der Konzeption rationaler Erkenntnis, bar aller Affinität, lebt das Tasten nach jener Konkordanz fort, die einmal der magischen Täuschung fraglos war. Wäre dies Moment gänzlich getilgt, so würde die Möglichkeit, daß Subjekt Objekt erkennt, unverständlich schlechthin, die losgelassene Rationalität irrational. Das mimetische Moment seinerseits jedoch verschmilzt auf der Bahn seiner Säkularisierung mit dem rationalen. Dieser Prozeß faßt sich als Differenziertheit zusammen. Sie enthält ebenso mimetisches Reaktionsvermögen in sich wie das logische Organ fürs Verhältnis von Genus, Species und differentia specifica. Dabei bleibt dem differenzierenden Vermögen soviel an Zufälligkeit gesellt wie jeglicher ungeschmälerten Individualität gegenüber dem Allgemeinen ihrer Vernunft. Diese Zufälligkeit indessen ist nicht so radikal, wie es den Kriterien des Szientivismus gefiele. Hegel war sonderbar inkonsequent, als er das individuelle Bewußtsein, Schauplatz der geistigen Erfahrung, die sein Werk beseelt, der Zufälligkeit und Beschränktheit zieh. Erklärbar ist das nur aus der Begierde, das kritische Moment zu entmächtigen, das mit individuellem Geist sich verknüpft. In seiner Besonderung spürte er die Widersprüche zwischen dem Begriff und dem Besonderen. Individuelles Bewußtsein ist stets fast, und mit Grund, das unglückliche. Hegels Aversion dagegen versagt sich eben dem Sachverhalt, den er, wo es ihm paßt, unterstreicht: wie sehr jenem Individuellen das Allgemeine innewohnt. Nach strategischem Bedürfnis traktiert er das Individuum, als wäre es das Unmittelbare, dessen Schein er selbst zerstört. Mit diesem verschwindet aber auch der absoluter Kontingenz individueller Erfahrung. Sie hätte keine Kontinuität ohne die Begriffe. Durch ihre Teilhabe am diskursiven Medium ist sie der eigenen Bestimmung nach immer zugleich mehr als nur individuell. Zum Subjekt wird das Individuum, insofern es kraft seines individuellen Bewußtseins sich objektiviert, in der Einheit seiner selbst wie in der seiner Erfahrungen: Tieren dürfte beides versagt sein. Weil sie in sich allgemein ist, und soweit sie es ist, reicht individuelle Erfahrung auch ans Allgemeine heran. Noch in der erkenntnistheoretischen Reflexion bedingen logische Allgemeinheit und die Einheit individuellen Bewußtseins sich wechselfältig. Das betrifft aber nicht nur die subjektiv-formale Seite von Individualität. Jeder Inhalt des individuellen Bewußtseins wird ihm zugebracht von seinem Träger, dessen Selbsterhaltung zuliebe, und reproduziert sich mit ihr. Durch Selbstbesinnung vermag das individuelle Bewußtsein davon sich zu befreien, sich zu erweitern. Dazu treibt es die Qual, daß jene Allgemeinheit die Tendenz hat, in der individuellen Erfahrung die Vorherrschaft zu erlangen. Als »Realitätsprüfung« verdoppelt Erfahrung nicht einfach die Regungen und Wünsche des Einzelnen, sondern negiert sie auch, damit er überlebe. Anders als in der Bewegung einzelmenschlichen Bewußtseins läßt Allgemeines vom Subjekt überhaupt nicht sich ergreifen. Würde das Individuum coupiert, so spränge kein höheres, von den Schlacken der Zufälligkeit gereinigtes Subjekt heraus, sondern einzig ein bewußtlos nachvollziehendes. Im Osten hat der theoretische Kurzschluß in der Ansicht vom Individuum kollektiver Unterdrückung zum Vorwand gedient. Die Partei soll der Zahl ihrer Mitglieder wegen a priori jeglichem Einzelnen an Erkenntniskraft überlegen sein, auch wenn sie verblendet oder terrorisiert ist. Das isolierte Individuum jedoch, unbeeinträchtigt vom Ukas, mag zuzeiten der Objektivität ungetrübter gewahr werden als ein Kollektiv, das ohnehin nur noch die Ideologie seiner Gremien ist. Brechts Satz, die Partei habe tausend Augen, der Einzelne nur zwei, ist falsch wie nur je die Binsenweisheit. Exakte Phantasie eines Dissentierenden kann mehr sehen als tausend Augen, denen die rosarote Einheitsbrille aufgestülpt ward, die dann, was sie erblicken, mit der Allgemeinheit des Wahren verwechseln und regredieren. Dem widerstrebt die Individuation der Erkenntnis. Nicht nur hängt von dieser, der Differenzierung, die Wahrnehmung des Objekts ab: ebenso ist sie selber vom Objekt her konstituiert, das in ihr gleichsam seine restitutio in integrum verlangt. Gleichwohl bedürfen die subjektiven Reaktionsweisen, deren das Objekt bedarf, ihrerseits unablässig der Korrektur am Objekt. Sie vollzieht sich in der Selbstreflexion, dem Ferment geistiger Erfahrung. Der Prozeß philosophischer Objektivation wäre, metaphorisch gesprochen, vertikal, innerzeitlich, gegenüber dem horizontalen, abstrakt Quantifizierenden der Wissenschaft; soviel ist wahr an Bergsons Metaphysik der Zeit.

Th.W. Adorno, "Qualität und Individuum", in: ders., Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit, Gesammelte Schriften Bd. 6, Hrsg., von Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1977, S.S. 54-57.

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