Th.W. Adorno

Reflexionen zur Klassentheorie (I)

Sur l´eau 2008. 8. 26. 17:44

Reflexionen zur Klassentheorie (I)

 

Geschichte ist, der Theorie zufolge, Geschichte von Klassenkämpfen. Aber der Begriff der Klasse ist mit dem Auftreten des Proletariats verbunden. Noch als revolutionäre nannte die Bourgeoisie sich den dritten Stand. In der Ausdehnung des Klassenbegriffs auf die Vorzeit denunziert die Theorie nicht bloß die Bürger, deren Freiheit mit Besitz und Bildung die Tradition des alten Unrechts fortsetzt. Sie wendet sich gegen die Vorzeit selber. Der Schein patriarchalischer Gutmütigkeit, den jene seit dem Sieg des unerbittlichen kapitalistischen Kalküls angenommen hat, wird zerstört. Die ehrwürdige Einheit des Gewordenen, das natürliche Recht der Hierarchie in der als Organismus vorgestellten Gesellschaft schon zeigt sich als Einheit von Interessenten. Die Hierarchie war von je Zwangsorganisation zur Aneignung fremder Arbeit. Das natürliche Recht ist verjährtes historisches Unrecht, der gegliederte Organismus das System der Spaltung, das Bild der Stände die Ideologie, die dem installierten Bürgertum in Gestalt von redlichem Verdienst, treuer Arbeit, schließlich dem Äquivalententausch am besten zustatten kam. Indem die Kritik der politischen Ökonomie die historische Notwendigkeit aufweist, die den Kapitalismus zur Entfaltung brachte, wird sie zur Kritik der ganzen Geschichte, von deren Unabänderlichkeit die Kapitalistenklasse wie ihre Ahnherrn das Privileg herleitet. Das jüngste Unrecht, das im gerechten Tausch selber gelegene, in seiner verhängnisvollen Gewalt erkennen, heißt nichts anderes als mit der Vorzeit es identifizieren, die von ihm vernichtet wird. Kulminiert in der Moderne, im kalten Elend der freien Lohnarbeit alle Unterdrückung, die Menschen je Menschen angetan haben, so offenbart sich der Ausdruck des Historischen selber an Verhältnissen und Dingen - der romantische Gegensatz zur industriellen Vernunft - als Spur von altem Leiden. Das archaische Schweigen von Pyramiden und Ruinen wird im materialistischen Gedanken seiner selbst inne: es ist das Echo vom Lärm der Fabrik in der Landschaft des Unabänderlichen. Vom Höhlengleichnis der Platonischen Politeia, der feierlichsten Symbolik der Lehre von den ewigen Ideen, argwöhnt Jacob Burckhardt1, es sei nach dem Bilde der grauenvollen athenischen Silberminen gestaltet. Dann wäre noch der philosophische Gedanke ewiger Wahrheit in der Betrachtung gegenwärtiger Qual entsprungen. Alle Geschichte heißt Geschichte von Klassenkämpfen, weil es immer dasselbe war, Vorgeschichte.

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